Böse Briefe: Die liebe Verwandtschaft
Braut oder Bräutigam kann man sich aussuchen, die Verwandtschaft kommt mitgeliefert. Da kann man Pech haben, sogar als Royal. Prince Harry merkt das gerade schmerzhaft: Der Vater seiner Meghan scheint deutlich mehr mit der Boulevardpresse zu reden als mit der Tochter und hat sogar einen Brief von ihrer Hand weitergereicht. Ob der nun wirklich verfälscht veröffentlicht wurde, wie Harry in einem wütenden Kommuniqué behauptet, sei dahingestellt. Ganz offenbar hat der junge Mann die Stellungnahme selbst verfasst, nicht ein Publicity-Profi, und man liest hinter den Zeilen den Schmerz des Kindes, dessen Mutter (auch) ein Opfer der Paparazzi war. Harry erntet für seinen Ausbruch reichlich Kritik, denn leben die Royals nicht auf Kosten der Steuerzahler? Dann haben letztere doch wohl ein Recht auf Information! Und die Pressefreiheit ist unbestritten ein hohes Gut; die Briten sind da noch empfindlicher als andere.
Aber bei allem Verständnis für den Konkurrenzdruck der Medien und ohne besondere Kenntnis der britischen Pressegesetze lässt sich doch eins festhalten: Ob der Brief einer enttäuschten Tochter an ihren Vater in die Öffentlichkeit gehört, ist zumindest zweifelhaft. Ganz klar gelten für Angehörige der königlichen Familie andere Regeln als für Jane und John Smith, aber sogar sogenannte Personen der Zeitgeschichte haben ein Recht auf ihre Intimsphäre. Ob Meghans Brief an den liebenden Vater in diese Kategorie einzuordnen ist, zumal der Adressat das Schreiben selbst weitergegeben hat (es wurde ja nicht aus einem Papierkorb geklaubt oder aus einem gehackten Mail-Account), wird nun ein Gericht entscheiden. Harry hat die Mail on Sunday verklagt. Wir werden sehen, wie das ausgeht.
Sprachecke: Katzengeschichten
Die Katze ist der Briten zweitliebstes Haustier nach dem Hund und, genau wie im Deutschen, auch sprachlich gut vertreten in Redewendungen und Sprichwörtern. Manchmal ist es allerdings erstaunlich, in welchen Zusammenhängen sie erwähnt wird, zum Beispiel als "copycat". Eine Kopierkatze ist jemand, der oder die anderen nacheifert und /oder ihre Ideen klaut, sei es in der Kleidung oder, schlimmer, im künstlerischen Werk. Warum nun ausgerechnet der größte Individualist im Tierreich des Nachahmens bezichtigt wird – denn genau das ist die Katze –, bleibt eins der Rätsel der Sprachentwicklung.
Etwas besser passt die "scaredy cat", die wir einen Angsthasen nennen würden. Katzen sind zwar nicht direkt ängstlich, aber doch (meist) vorsichtig und wachsam und auch im Schlaf immer halb wach, was man zum Beispiel an ihren Ohren sieht. Die sind beim kleinsten Geräusch in Bewegung, auch wenn die Augen fest geschlossen bleiben. Was uns zum "catnap" bringt, dem "Katzennickerchen". Auch dieser Begriff ist erstaunlich unpräzise. Zwar schläft jede Katze gern, dies allerdings mehr oder weniger den ganzen Tag, von gelegentlichen Kontrollgängen durchs Revier sowie Fress- und Schmusepausen abgesehen. Von "Nickerchen" zu sprechen, ist also stark untertrieben. "Catnip" mit I ist übrigens Katzenminze, und wer die im Garten hat, kann im Sommer beobachten, dass Katzen ihre vornehme Beherrschung komplett dreingeben, sobald sie dieses Kraut erschnuppern. Es ist tatsächlich so etwas wie eine Katzendroge, gottlob ohne Nebenwirkungen.
Der Begriff "catty" ist in den letzten Jahren aus der Mode gekommen und durch das noch deutlich unfreundlichere "bitchy" ersetzt worden. Beides bedeutet "zickig" und wird gemeinerweise fast nur für Frauen verwendet ( "bitch" bedeutet ursprünglich ja "Hündin", obwohl die neue Bedeutung die alte längst überlagert). "Cat" ist aber eigentlich geschlechtslos, auch wenn es den Begriff "tom cat" gibt. Wir kennen Leute, die ihren Kater als "the cat" bezeichnen, kombiniert mit "he".
Beliebte Redewendungen sind, wie bei uns, "to let the cat out of the bag", die Katze aus dem Sack lassen (man kann sie aber auf Englisch nicht "im Sack" kaufen), oder "when the cat is away the mice come out to play". Bei uns tanzen die Mäuse auf dem Tisch, sobald die Katze weg ist. Im Englischen bringt Neugier die Mieze um ("curiosity killed the cat"). In einem engen Raum ist nicht genug Platz, um eine Katze herumzuwirbeln ("not enough room to swing a cat"), was ein Fall für den Tierschutz wäre, bezöge es sich nicht auf eine neunschwänzige Katze, also eine Peitsche, und somit eher ein Fall für den Menschenschutz wird. Es gibt noch unzählige andere Sprichwörter und Redewendungen wie "cat on a hot tin roof", die bei uns wie auf Kohlen sitzen würde, oder die "fat cat", der Boss oder Chef. Nur eine Formulierung, die Sie noch aus dem Schulunterricht kennen, dürfen Sie gleich vergessen: "It´s raining cats and dogs". In der Theorie existiert sie zwar, aber nach unserer Erfahrung sagt das in Großbritannien kein Mensch.
Rezept des Monats: Zurück zu den Wurzeln
Wurzelgemüse gibt es bei uns das ganze Jahr, aber im Herbst kriegt man so richtig Lust auf den erdigen Geschmack und die handfeste Konsistenz. Oder? Karotten, Sellerie, Rote Beete, Pastinaken – was lässt sich nicht alles damit anfangen, ob solo, im Salat, als Suppe, geröstet oder sogar im Kuchenteig! Beim jüngsten Englandbesuch ist uns übrigens tatsächlich auch die Schwarzwurzel begegnet – offenbar plant sie ein Comeback im Königreich, denn wenn wir alten Rezeptbüchern glauben dürfen, war sie noch im 19. Jahrhundert eine durchaus übliche Zutat drüben. Dann verschwand sie vom Markt. Auf Englisch heißt sie "salsify – sowohl das I als auch das Y werden als I-Laut gesprochen – und ist, trotz der aktuellen Präsenz im Supermarkt, den meisten Briten vollkommen unbekannt. Was ja wirklich schade ist. Ähnliches, nur umgekehrt, gilt für die knubbelige Wurzel Topinambur: In Großbritannien ist sie als "Jerusalem artichoke" sehr jeher beliebt, bei uns kehrt sie nur allmählich zurück auf den Speiseplan. Ursprünglich stammt sie übrigens aus Südamerika, wie die Süßkartoffel ja auch. Und die Kartoffel ebenfalls.
Natürlich kann man Wurzeln wie anno dazumal in Wasser kochen, aber das wird ihrem Eigengeschmack nicht gerecht. Die einfachste Methode ist, sie im Ofen zu backen – das spart Abwasch, schmeckt köstlich, lässt sich mit Fleisch und Fisch kombinieren und auch schnell mal aufwärmen, wenn nicht alle gleichzeitig am Tisch sitzen können. Wichtig ist, dass die Zutaten ungefähr die gleiche Größe haben. Probieren Sie folgende bunte Kombination, die sich aber beliebig verändern lässt: drei Karotten, zwei Pastinaken, einen kleinen Kopf Sellerie, zwei kleine Knollen Rote Beete schälen und in Würfel schneiden (zwei mal zwei Zentimeter oder etwas kleiner, ganz nach Wunsch). Den Backofen auf 200 Grad Umluft oder 220 Grad Ober- und Unterhitze vorheizen. Das Gemüse in eine flache Auflaufform oder auf ein Backblech legen und ziemlich großzügig mit Olivenöl bepinseln. Gesalzen wird erst später, sonst tritt zu viel Flüssigkeit aus, aber Sie können pfeffern. Wer mag, legt noch ein paar ganze ungeschälte Knoblauchzehen mit aufs Blech. Nun ab in den Ofen damit. Nach etwa 40 Minuten – einmal wenden nach 20 Minuten schadet nicht – sollte das Gemüse schön weich und leicht gebräunt sein. Nun können Sie auf Wunsch noch etwas Schafskäse darüberstreuen, kurz übergrillen und dann servieren. Wenn der Käse nicht zu salzig ist, mit grobem Salz nachwürzen. Servieren Sie dazu eine Mischung aus Vollmilchjoghurt, etwas Mayonnaise, Salz und Sumak (dieses Gewürz bekommen Sie im arabischen oder türkischen Laden). Das weiche Knoblauchmus können Sie, aus der Schale gedrückt, unter den Joghurt rühren. Gebratene Hähnchenbrust oder panierter Fisch passen gut; oder Sie servieren einfach einen gemischten Salat dazu.
